Angesichts der Planungen der EU-Kommision für eine Aufweichung des Schutzes vor Fluglärm hat die Initiative "Zukunft Rhein-Main" (ZRM) den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier in einem offenen Brief darum gebeten, sich für eine Ablehnung dieses Vorhabens einzusetzen. Nachfolgend der Text des von Landrat Thomas Will (Kreis Groß-Gerau), Beigeordneter Katrin Eder (Stadt Mainz) und Bürgermeisterin Angelika Munck (Stadt Hochheim am Main) unterzeichneten Schreibens:
Sehr geehrter Ministerpräsident,
die Fluglärmbelastung ist seit vielen Wochen das wichtigste politische Thema in der gesamten Rhein-Main-Region. Insbesondere die Eröffnung der neuen Nordwest-Landebahn am Frankfurter Flughafen hat zu wachsenden Bürgerprotesten und erfreulicherweise auch zu einem neuen Nachdenken bei allen politisch Verantwortlichen geführt.
In dieser Situation sollte es erklärtes Ziel der Landesregierung sein, alle Möglichkeiten für eine Reduzierung der Fluglärmbelastung zu nutzen. Solche Maßnahmen sind nur im Rahmen der internationalen, europäischen und nationalen Regelungszusammenhänge möglich. In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission am 01.12.2011 einen Vorschlag für eine Verordnung über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG vorgelegt. Derzeit läuft das Konsultationsverfahren in den Mitgliedsstaaten, in dem die Möglichkeit besteht, für einen verstärkten Fluglärmschutz zugunsten der Fluglärmbetroffenen Stellung zu beziehen.
Wir bitten Sie im Rahmen des Konsultationsverfahrens den Entwurf der Verordnung abzulehnen, weil in dieser Regelung nach unserer Ansicht Kapazitätserweiterungen zugunsten der Luftverkehrswirtschaft und zu Lasten der Fluglärmbetroffenen verbindlich für die Mitgliedsstaaten festgelegt werden sollen.
Sie sind sicher wie wir der Auffassung, dass es für den Luftverkehr - wie für andere Wirtschaftsbereiche auch - keinen Anspruch auf ungehindertes Wachstum auf Kosten Dritter gibt. Die EU-Kommission freilich scheint diese Auffassung nicht zu teilen. Dort geht man davon aus, dass sich im Jahr 2030 das Luftverkehrsvolumen in Europa nahezu verdoppeln wird und tritt deshalb nicht für Fluglärmvermeidung und -reduzierung ein, sondern will bestehende Kapazitäten besser auslasten und sogar neue Flughafenkapazitäten schaffen. Der Fluglärmschutz habe sich - so die Grundaussage des Entwurfs - unter zu ordnen.
Besonders gravierend erscheint die Durchgriffsmöglichkeit der EU-Kommission, wenn denn auf nationaler Ebene erst einmal Lärmminderungsmaßnahmen angeordnet werden sollen. Hier soll die Kommission die Möglichkeit erhalten, Lärmminderungsmaßnahmen auszusetzen, um unerwünschte Auswirkungen auf die Flugsicherheit, die Flughafenkapazität und den Wettbewerb zu vermeiden.
Sollten diese wenig durchdachten und einzig an den Interessen der Luftverkehrsindustrie orientierten Planungen umgesetzt werden steht zu befürchten, dass sich die gesellschaftlichen Konflikte rund um den Frankfurter Flughafen weiter verstärken, da alle Bemühungen der Lärmminderungsmaßnahmen aufgrund der Bevorzugung der europäisch gewollten Kapazitätssteigerung zunichte gemacht werden. Auch deshalb bitten wir Sie, all Ihren Einfluss geltend zu machen, um die Absichten der EU-Kommission zu verhindern. In diesem Zusammenhang würden wir auch eine eindeutige öffentliche Stellungnahme Ihrerseits sehr begrüßen.
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